Sehr geehrte Bürger,
am 02.06.2023 wurde das Hinweisgeberschutzgesetz im Gesetzblatt veröffentlicht und ist damit wirksam (s.a. https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/140/VO). Dies war notwendig, um die Whistleblower-Richtlinie [EU] 19/1937 der Europäischen Union umzusetzen. Also erneut eine Gesetzesvorgabe der EU, die in deutsches Recht gegossen wurde. Aber was ist der Inhalt dieses Gesetzes bzw. was soll damit geregelt werden und was ist die Kritik daran?
Eine zentrale Regelung des Gesetzes ist die Einrichtung einer betriebsinternen Meldestelle bei Unternehmen ab 50 Mitarbeitern, noch im Jahr 2023. Diese muss aus hierfür qualifizierten Mitarbeitern bestehen. Was soll nun gemeldet werden? Dazu gibt das Gesetz in § 2 Abs. 3. HinSchG genaue Angaben. Meldefähig werden zunächst alle Verstöße gegen deutsches Strafrecht, insbes. strafbare Formen der Korruption und Betrügereien. Außerdem solche gegen Bußgeldvorschriften, wenn die verletzte Norm dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Darunter fallen beispielsweise Vorschriften aus den Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes oder Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Schließlich sind auch sonstige Vorschriften aus bestimmten Rechtsbereichen deutschen und EU-Rechts erfasst, z.B. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, oder aber Vorgaben zur Produktsicherheit. Auch Hinweise auf mangelnde Verfassungstreue von Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden seit der Einigung im Vermittlungsausschuss erfasst, auch, wenn dabei keine konkreten Straftaten vorliegen. Das beinhaltet z.B. auch schon die bloße Kritik am Regierungshandeln.
Die Meldung kann der Stelle schriftlich und mündlich abgegeben werden. Diese muss den Eingang mit einer Frist von sieben Tagen bestätigen und innerhalb von 3 Monaten, dem Hinweisgeber über Maßnahmen und Gründe hierzu benachrichtigen.
Eine weitere zentrale Regelung ist die Anonymität des Hinweisgebers, wobei gegenüber der Meldestelle üblicherweise die Person bekannt ist. Anonyme Meldungen sind allerdings möglich. Ein Verstoß gegen die Anonymitätsregel kann bis 50.000 Euro Strafzahlung nach sich ziehen (s.a. HinSchG § 40). Ist eine Meldung an die Meldestelle wissentlich unwahr, kann dem Melder eine Ordnungswidrigkeitsstrafe bis 20.000 Euro treffen.
Grundsätzlich ist die Möglichkeit innerbetriebliche Fehler und Missstände zu melden richtig, da dies Schäden und unnötige Kosten vermeiden helfen kann. Es gibt bereits zahlreiche Regelungen, die dies ermöglichen: Arbeitsschutzgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz und das im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschriebene Maßregelungsverbot sowie branchenspezifische Regelungen – etwa das Musterformular im Baugewerbe für Hinweise auf Schwarzarbeit an die Finanzkontrolle (s.a. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/kritik-aus-der-wirtschaft-gesetz-zum-schutz-von-whistleblowern-fast-zwanghafte-legislative-uebererfuellung/28350016.html). Warum eine erweiterte Regelung notwendig ist, konnte bisher nicht begründet werden. Alleine die EU-Vorgabe mit Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die BRD kann bisher als Grund erkannt werden.
Nicht thematisiert wurde in der bisherigen öffentlichen Diskussion das Missbrauchspotential einer solchen Gesetzgebung. So könnte zum Beispiel ein Arbeitnehmer versuchen, eine berechtigte berufliche Maßnahme (z.B. Kündigung, Nichtbeförderung etc.), durch eine unberechtigte Meldung rückgängig zu machen, mit dem Hinweis auf eine verbotene Benachteiligung (s.a. § 36 HinSchG). Die Motivation der Benachteiligung eines Kollegen kann nicht ausgeschlossen werden, sodass missbräuchlich die Möglichkeit der Androhung einer Meldung zur Erreichung anderer Ziele genutzt werden kann. Die bereits genannte Ausweitung auf Hinweise mangelnder Verfassungstreue im öffentlichen Dienst ohne Vorliegen von Straftaten ist ein Umstand, der geradezu zum Missbrauch einlädt. Es ist ein einfaches, ungeliebte Mitarbeiter durch unwahre, anonyme Vorwürfe zu beschädigen. Dies dient in keinem Fall dem Betriebsfrieden und dem eigentlichen Geist der Gesetzesidee und es wäre die Pflicht des Gesetzgebers, genau dies zu verhindern. Dennoch hat der Gesetzgeber Meldungen zur Verfassungstreue mit in das Gesetz aufgenommen, obwohl dies nicht von der EU gefordert wurde. Die Affäre um den BSI-Präsidenden Arne Schönbohm, dient als Beispiel für ein solches Vorgehen gegen unliebsame Mitarbeiter, obwohl sich der Vorgang bereits 2022, noch vor Veröffentlichung des HinSchuG im Bundesgesetzblatt abspielte (s.a. https://www.deutschlandfunk.de/schoenbohm-faeser-bsi-boehmermann-100.html). Dies deckt deutlich das Missbrauchspotential dieses Gesetzes auf. Ob dies dem Zeitdruck geschuldet ist (Vertragsverletzungsverfahren) oder auch Absicht des Gesetzgebers war, ist nicht abschließend beurteilbar. Eine Verbesserung des Gesetzes zum Schutz vor Missbrauch desselben ist geboten. Dies können Sie Ihrem Abgeordneten, wenn Sie dies ebenso sehen, direkt mitteilen, um ein Problembewusstsein zu erreichen.
Thomas Kröber
demokratiekulturverein@gmail.com
dkv-schriesheim.de
„Einigkeit und Recht und Freiheit“